Eine Filmkritik von Carolyn Höfchen
Demokratie um jeden Preis
Eine Frau allein gegen eine Militärjunta mit einer Armee von 280.000 Mann. Aung San Suu Kyi, Birmas bekannteste Dissidentin, kämpft seit den späten achtziger Jahren für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie in ihrem Heimatland. „The Lady“, wie sie von ihren Anhängern respektvoll genannt wird, stand bis November 2010 insgesamt 15 Jahre lang unter Hausarrest. Der französische Regisseur Luc Besson hat mit The Lady — Ein geteiltes Herz nun einen biographischen Film geschaffen, der nicht nur die politischen Zustände in dem südostasiatischen Pariastaat beschreibt, sondern insbesondere von der Hochachtung vor dem Leben einer eindrucksvollen und starken Persönlichkeit geprägt ist.
Der Film beginnt 1947. Aung San Suu Kyi ist erst zwei Jahre alt, als ihr Vater, Held der birmanischen Freiheitsbewegung nach der Besatzung durch die Kolonialmacht Großbritannien, erschossen wird. Dann ein Zeitsprung, 41 Jahre später: Aung San Suu Kyi (Michelle Yeoh) lebt mit ihrem Mann Michael Aris (David Thewlis), einem britischen Historiker und Tibetologen, und ihren beiden Kindern in Oxford, Großbritannien. Nach einem Anruf aus Birma bricht sie überstürzt in die damalige Hauptstadt Rangun auf, denn ihre Mutter liegt im Sterben. Was sie wohl kaum ahnt: Sie wird nie wieder nach Großbritannien zurückkehren.
In Rangun holt sie ihre Vergangenheit und die Geschichte des Landes ein, das sie im Alter von 15 Jahren verlassen hatte. Seit Jahren wird das Land von einer mit eiserner Hand herrschenden Militärjunta regiert, Studentenproteste werden von bewaffneten Truppen blutig niedergeknüppelt, ein Massaker folgt dem nächsten. Suu Kyi befindet sich mittendrin und fühlt, dass sie nicht länger tatenlos zusehen kann. Sie gründet die NLD, die „National League for Democracy“. Ihr aktives politisches Engagement währt jedoch nicht lange, denn die diktatorische Führung erstickt ihren Kampf für Demokratie und freie Wahlen im Keim und stellt sie kurzerhand unter Hausarrest. Von nun an bewachen Soldaten jeden ihrer Schritte, Stacheldraht umzäunt ihr Elternhaus, sie darf keinen Besuch empfangen. Ihr Leben gleicht dem in einem Gefängnis – die Telefonleitungen sind durchtrennt, die Post wird zensiert, sie ist alleine. So kann die Oppositionspolitikerin weder 1991 ihren Friedensnobelpreis in Oslo entgegen nehmen, noch kann sie 1999 an der Seite ihres Mannes sein, der einem Krebsleiden erliegt. Die Führungsriege bietet ihr zwar an, zu ihrer Familie zurückzukehren. Doch dann hätte sie nie wieder nach Birma einreisen dürfen. Deshalb opfert sie ihr privates Glück und entscheidet sich nicht für ihre Familie, sondern für ihr Land. Trotz oder gerade wegen ihres Hausarrests gewinnt die Friedensnobelpreisträgerin immer mehr Anhänger und erreicht internationale Aufmerksamkeit. Am 13. November 2010 lenkt die Militärführung überraschend ein und lässt sie frei.
Durch die Jahre dieser politisch höchst brisanten Ereignisse zieht sich die unzerstörbare Liebesgeschichte zwischen Aung San Suu Kyi und ihrem Mann Michael Aris. Leider überlagert jedoch nicht selten die Rührseligkeit der Beiden so sehr die politischen Ereignisse, dass dem Film mehr Fakten anstelle von Sentimentalität besser getan hätten. Die Malaysierin Michelle Yeoh, bekannt aus Tiger and Dragon oder als Bond-Girl in Der Morgen stirbt nie, spielt dennoch eine großartige Aung San Suu Kyi. Sie strahlt in ihren Gesten und Bewegungen die Ruhe Suu Kyis aus, sie scheint den Hausarrest fast stoisch hinzunehmen, nur ihre Augen spiegeln die tiefe Besorgnis über ihr Volk und ihre Familie wider. David Thewlis, den man als Professor Remus Lupin in Harry Potter kennt, wirkt als Michael Aris dagegen etwas überzeichnet, übertrieben sentimental. Den beiden halbwüchsigen Söhnen, gespielt von Jonathan Raggett und Jonathan Woodhouse, fehlt es an Authentizität, man nimmt ihnen ihre Sorge um die Mutter nur schwer ab.
Filmisch wartet The Lady indes mit opulenten Bildern auf. Insbesondere die Passagen in Birma sind bildgewaltig, wenn Aung San Suu Kyi etwa ohne mit der Wimper zu zucken frontal auf die Gewehrläufe der Soldaten zugeht. Man hält unwillkürlich den Atem an. Oder wenn sie vor einer jubelnden Menge eine Rede hält, im Hintergrund die goldene hochragende Shwedagon-Pagode.
Die Idee, das Leben der Freiheitskämpferin von Luc Besson verfilmen zu lassen, der international vor allem für seine Actionfilme gefeiert wird, stammt von Michelle Yeoh. Sie schlug ihm das Drehbuch vor, da der Regisseur ihrer Meinung nach eine Begabung habe, starke Frauen in Szene zu setzen — etwa in dem Actionthriller Nikita oder im Science-Fiction-Abenteuer Das fünfte Element. Gedreht wurde The Lady in Thailand, unter höchster Geheimhaltung. Denn Birma – so die Befürchtung – hätte sonst Druck auf Thailand ausüben und so die Dreharbeiten stoppen können. Einige Sequenzen hat Besson dennoch in Birma gedreht, als Tourist mit einer Handkamera.
The Lady — Ein geteiltes Herz kommt zu einer Zeit in die Kinos, in der die aktuelle politische Entwicklung Birmas international gespannt verfolgt wird. Das Land scheint sich langsam nach Westen zu öffnen — US-Präsident Obama nennt es ein „Reformschimmern“ -, um der immer größer werdenden Übermacht China im asiatischen Raum entgegenzutreten. Die birmanische Führung hat sogar angekündigt, dass Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi für die nächsten Wahlen zugelassen wird. Wie sich die politische Situation des Landes auch entwickeln mag, der Film wird an Aktualität in den kommenden Monaten nichts einbüßen. Aber nicht nur das macht den Film sehenswert, denn als eine Mischung aus Dokumentation und Liebesfilm hält The Lady einige Gänsehautmomente bereit. Vor allem aber ist es Luc Besson gelungen, diese außergewöhnliche Frau, die in ihrem Kampf für Demokratie nie aufgegeben und alles geopfert hat, angemessen in Szene zu setzen. Suu Kyi selbst schrieb dem Regisseur in einem geheimen Briefwechsel, dass sie den Film erst sehen wolle, wenn sie den Mut dazu fände.
Eine Frau allein gegen eine Militärjunta mit einer Armee von 280.000 Mann. Aung San Suu Kyi, Birmas bekannteste Dissidentin, kämpft seit den späten achtziger Jahren für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie in ihrem Heimatland. „The Lady“, wie sie von ihren Anhängern respektvoll genannt wird, stand bis November 2010 insgesamt 15 Jahre lang unter Hausarrest.